Wehrlos

Wehrlos

Der Mondschein fiel durch das offene Fenster und ließ die Person, die dort im Bett lag, fahl erscheinen. Der laue Nachtwind bauschte die schneeweißen Seidengardinen und strich dem Mädchen sanft durchs Haar. Eine lange, braune Strähne fiel ihr ins Gesicht und bewegte sich im Rhythmus ihres Atems. Langsam schwoll der Wind ab und die Gardine fiel zurück.
Darunter zeichnete sich eine Gestalt ab. Der stille Beobachter trat aus dem Versteck. Er war groß und breitschultrig und ein langer, rabenschwarzer Mantel umhüllte ihn.
Die Kapuze, die bis jetzt sein Gesicht verborgen hatte, fiel zurück und entblößte bleiche, faltige Haut. Mit blutroten Augen musterte er das Mädchen wie ein Raubtier seine wehrlose Beute.
Dünne, strähnige Haare rahmten sein scharfkantiges Gesicht und fielen auf die knochigen Schultern. Die schorfigen Lippen formten ein grässliches Grinsen und lange, gelbliche Zähne stachen daraus hervor. Ein furchterregender Laut entwich dem entstellten Gesicht.
Das hübsche Mädchen wachte auf und blickte dem Vampir genau in die Augen. Ihre sanften Züge erstarrten vor Schreck. Ein erstickter Schrei entfuhr ihr, doch blitzschnell durchquerte der Vampir den Raum und presste ihr die spindeldürre, langfingrige Hand auf den zarten Mund.
„Du kannst dich nicht wehren, Nelene! Du bist verloren,“ flüsterte er mit einem sadistischen Unterton, der dem Mädchen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er lachte drohend und beugte sich zu dem schockstarren Mädchen hinunter. Langsam legte er seine Lippen an ihre Kehle, es sah aus wie ein zärtlicher Kuss, doch dann lief ein dünnes Rinnsal Blut an ihrem Hals herunter.
Gierig trank der Vampir, und mit dem Blut wich auch das Leben aus dem Körper des Mädchens, bis ihre Augen glasig und ausdruckslos wurden und sie ihren letzten, keuchenden Atemzug tat. Mit einem abscheulich ekelhaften Lachen verschwand der Vampir.
Wie schon zuvor strich eine Brise dem Mädchen durchs Haar, doch es gab keinen Atem, der eine Strähne bewegte.